Das war ein gemeinsamer Wunsch von Susan und mir (und eine gute Idee von Susan):
Eine Woche in der Toskana schöne Landschaften entdecken, den runden Geburtstag von Susan feiern, geniessen, fotografieren, uns mit feiner italienischer Küche verwöhnen lassen, in einem lieblichen, einfachen, rustikalen Zuhause wohnen, durch Altstadtgässchen bummeln und da und dort mit einem Gelati auf einer Steintreppe ausruhen und dem fröhlichen Treiben zusehen.
So haben wir das zusammen mit J. und B. erlebt und sind sogar in den Genuss eines Autos gekommen, ohne das alles für uns gar nicht möglich gewesen wäre.
Vielen, herzlichen Dank für unsere Freundschaft.
Unser Zuhause für eine Woche : Agriturismo Vaianino in Gambassi Terme
Samstag 15.4.2023, heute ist Susan's grosser Geburtstag und wir haben schon vorab ausgewählt, wo wir gern essen würden und auch reserviert, alles gemäss Empfehlung im Reiseführer.
Die Hinfahrt hat uns durch den erstmals im Jahr 934 schriftlich erwähnten Ort Staggia Senese geführt. Wir haben eine Pause eingelegt. Ein kurzer Foto-Bummel und ein bisschen "Gwunder" führten uns zu einer imposanten Burg. Wie aus dem Nichts taucht eine selbsternannte Fremdenführerin auf die uns wortreich die Symbolik der feinen, weissen, nicht minder imposanten, künstlichen Gespinste erklärt; alles auf Italienisch.
Und weiter geht's durch die toskanische Landschaft bis wir noch knapp vor dem Eindunkeln in Barberino ankommen und, inzwischen regnet es, grad vor dem grossen Tor am Dorfeingang auch einen Parkplatz finden.
Sonntag, 16.4.2023, wir entschliessen uns, ein bisschen ziellos Richtung Westen zu fahren und uns überraschen zu lassen.
Weil sich auch schöne Landschaften irgendwann wiederholen, halten wir nicht mehr bei jeder Zypressenreihe an. Von weitem erblicken wir jetzt aber auf einer Anhöhe ein Städtchen dessen Kulisse uns für einen Besuch lohnenswert erscheint. Zuvor halten wir noch schnell bei einem wunderschön blühenden Judasbaum. Unmittelbar am Strassenrand in einem privaten Garten. Eine Pracht. Es wird sogar schwierig, eindrückliche Bildausschnitte zu wählen.
Ein paar Kurven noch und wir sind in Montecatini, wo sogar ein öffentlicher Bus hinfährt. Wir finden rasch einen grösseren Parkplatz, fast leer. Zu Fuss ist es nicht weit bis zu einem kleinen, zentralen Platz. Das war's dann auch schon fast; nein, ein steiles Gässchen führt weiter hinauf; und hier sind sonntäglich gekleidete, einheimische Familien unterwegs, Durch ein Tor, durch das auch ein Auto passt, geht's weiter zur Kirche und noch weiter bis zum grossen Turm.
Es ist 12:37 Uhr, die Sonntagsmesse ist beendet, die Leute verabschieden sich. Aus respektvoller Entfernung beobachten wir die Szene. Wem wohl die grosse Harley unter der weissen Abdeckung gehört? Das Rätsel löst sich bald, der Priester braust als Letzter davon.
Montag, 17.4.2023, heute steht ein Ausflug nach Lucca auf dem Plan. Spontan finden wir innerhalb der Stadtmauer bei der Chiesa Santa Maria einen Parkplatz. Den Namen der Kirche hatten wir uns nicht gemerkt, was uns bei der Rückkehr zum Verhängnis werden sollte und zu einer Odyssee durch die halbe Stadt geführt hat.
Sehr beeindruckt hat mich die Piazza dell'Anfiteatro: Durch zwei Torbogen gelangen wir auf einen grossen ovalen Platz, lückenlos umsäumt von unterschiedlichen, gelblich restaurierten Häusern mit den typischen grünen Fensterläden.
Vom 44 m hohen Guinigi-Turm mit seinen Steineichen geniesst man eine wunderbare Rundum-Aussicht auf die ganze Stadt und die umliegenden Hügelzüge. Am Stadtrand erblickt man die Basilika San Frediano mit dem grossen Mosaik das die Himmelfahrt Christi und die zwölf Jünger darstellt. Von hier aus haben wir dann wieder unseren Parkplatz gesucht. Die hilfsbereite Frau an der Gelateria hat die Kirche auf meinem Foto in der Kamera erkannt und uns den rechten Weg auf dem Stadtplan gezeigt. Beim Torre Guinigi wären wir nahe dran gewesen.
Nach San Gimignano fahren wir heute, am Dienstag 18. April. Während der Fahrer sich hauptsächlich auf die doch oft herausfordernde Strasse konzentrieren muss, können die Mitfahrer links und rechts nach schönen Motiven Ausschau halten - und möglichst frühzeitig STOPP rufen. So sind viele Landschaftsaufnahmen entstanden und der Botaniker hat sogar seine erste Orchidee entdeckt, kurz vor Certaldo Alto. Dieses wirklich lohnenswerte, alte Kleinst-Dörfchen ist komplett aus roten Ziegelsteinen gebaut. 1164 wird der historische Ort erstmals genannt. Der Fotografen Glück: Es sind keine Leute auf den Gassen, was mich noch jetzt wundert.
Dann: San Gimignano
Mittwoch, 19.4.2023, Siena. Die Fotodaten belegen es: Sieben Stunden sind wir durch Siena geschlendert. Wirklich sehr viel Schönes haben wir erlebt. Die vielen Leute haben mich nicht gestört. Das waren nach meiner Beobachtung fast alles Italiener und die haben einfach hierhin gepasst.
Ohne alles zu beschreiben, lasse ich lieber eine Auswahl meiner Bilder sprechen. Beeindruckt hat uns das sporadische Auftreten schön gekleideter, fröhlicher junger Frauen und Männer, die heute mit Familie und Freunden ihren erfolgreichen Abschluss des Medizinstudiums feierten.
Und ja, Susan hat mit dem Handy den "Mercante di Stoffe" gesucht, aber den gibt's nach Aussage einer Anwohnerin an dieser Adresse gar nicht. Aber sie gibt Susan eine neue Adresse an. Und, leider, dieser hat heute nicht geöffnet. Aber sie findet was ihr Herz erfreut und taucht mit einer wunderschönen Ledertasche im Ristorante auf der Piazza del Campo auf. Hier geniessen wir jetzt draussen an prominenter Lage einen feinen, gemischten Salat und den Cappuccino. Zwischendurch regnet es ganz ausgiebig, aber bald ist es wieder hell und trocken.
Donnerstag, 20.4.2023, San Miniato
Ausgiebig ein Mohnfeld fotografieren, das ist mir vorgeschwebt beim Gedanken an toskanische Landschaften. Und hat schliesslich nur ganz "schwach" stattgefunden. Als kleine Entschädigung haben von
den Orchideen in der Nähe einer Burg ein paar Purpur-Knabenkräuter (Orchis purpurea) geblüht und einige Serapias waren knapp am Aufblühen.
San Miniato ist ein lohnendes, kleines Städtchen das sich längs über eine Krete erstreckt und sich am schönsten von der Burg ganz oben überblicken lässt. Der Weg dort hin überrascht mit Naturschönheiten und ein Ehepaar haben wir auf die stattlichen Purpur-Knabenkräuter aufmerksam gemacht (die sie sonst verpasst hätten !!!).
Das habe ich mir für einen Tagesausflug bei schönem Wetter notiert.
Ein Hinweis von Jürg, der uns vor unserer Toskanareise seine Erlebnisse mit Präsentation seines Fotobuches von seiner Camperreise durch die Toskana erzählt hat.
Freitag, 21. April. Wir stehen früh auf. Ein Blick aus dem Fenster auf "unseren" Froschweiher lässt einen sonnigen Tag erahnen. Unser Weg führt, immer noch im Nebel, am Castello di Monteriggioni vorbei und es gelingt ein Foto aus dem fahrenden Auto (1/1250 sec). Ein Pipi-Stopp an einer Autobahntankstelle erlaubt einen Blick zurück und im Dunst erkennen wir das ferne Siena.
Im kleinen Dorf Asciano war es Zeit zum Mittagessen und das hat richtig gut getan. Beim Weitergehen sind wir an einem Käsebuffet stehen geblieben. Eine kleine Auswahl toskanischer Leckerbissen; leider nicht zum Verzehr geeignet, weil: Sie waren alle aus Stein. So unterschiedlich in Form und Struktur; täuschend echt, gelungene Überraschung.
Das Agriturismo Baccoleno mit seiner wohl berühmten Zufahrtstrasse hätten wir beinahe verpasst, trotz notierter Koordinaten. Man sieht die eindrückliche Szenerie von der Hauptstrasse aus nicht. Beim ersten Halt auf der Hinfahrt, etwa um 14 Uhr am Mittag, war die Beleuchtung der Landschaft nicht so spannend; das müsste gegen Abend besser sein, vorausgesetzt das Wetter bleibt gut. Aber wir kommen auf dem Rückweg ja noch einmal vorbei!
Bis San Quirico d'Orcia sind wir weiter gefahren um durch diesen liebevollen Ort zu schlendern. Gerne haben wir im kleinen Laden etwas "Toskana" eingekauft: Pasta und eine scharfe Gewürzmischung. Zum Schluss gab's ein Gelato und eine Verschnaufpause am Ziehbrunnen vor der Kirche.
Jetzt müssen wir losfahren, fast unbemerkt ziehen ganz langsam Wolken auf. Kurz vor 18 Uhr sind wir wieder beim "Baccoleno". Wir beeilen uns und mit etwas Geduld zwischen den Aufnahmen scheint immer mal wieder die Sonne auf die doch so fotogen geschwungene Zypressenallee. Mit Drohnen darf hier nicht fotografiert werden.
Auch auf dem Heimweg gibt's zwei, drei lohnende Fotostopps. Die Crete Senesi ist ein wirklich malerisch schöner Landstrich.
22. April, Ausflug an die Küste. In Italien sein und das Meer nicht gesehen haben geht gar nicht. Kein Problem, das machen wir. Zum Baden sind wir nicht ausgerüstet und im April ist es auch nicht gerade unser Verlangen. Fast nicht. Susan testet das ein bisschen und das ergibt gerade eine fröhliche Bildserie. Der Blick übers Meer reicht bis zur Insel Elba. Den Frutti di Mare kann ich nicht widerstehen.
Ich habe den "Auftrag" erhalten, richtigen Mortadella zu besorgen. Supermarkt? Nein, natürlich nicht. Mein Auge erspäht eine kleine Metzgerei. Der Chef hat ein Foto beim Zuschneiden erlaubt. Mortadella, genauso muss er sein; und der ganze Laden wird vom unverkennbaren Duft erfüllt.
Wir sind heute etwas früher zu Hause und es reicht für mich eine kleine botanische Erkundungstour in die nahe Umgebung zu unternehmen. Schon am Morgen habe ich aus dem fahrenden Auto auf "unserem" staubigen Strässchen direkt am Strassenrand verdächtige Pflanzen beobachtet. Der Verdacht bewahrheitet sich: Im Strassengraben wachsen Spinnen-Ragwurze (Ophrys sphecodes). Völlig staubig und die meisten am Abblühen. Ein paar Meter abwärts gibt es am Strassenrand eine Lücke durch das dornige Gestrüpp. Da kann ich unbeschadet durch, es gibt ein Trampelpfad. Jetzt staune ich, ich stehe vor über 20 schön blühenden Orchis morio, dunkel und hell gefärbte Exemplare. Sehr schön, ich freue mich und gehe weiter um auf eine grössere, eher trockene Wiese zu gelangen. Wäre doch seltsam, wenn es hier nicht weitere Orchideen gäbe. Es gibt. Hummel-Ragwurze (Ophrys holocerica) in verschiedenen Grössen, rosa blühende und auch weisse. Ich finde immer mehr, aber jetzt ist die vereinbarte Zeit vorüber und das Abendessen ist sicher schon fertig vorbereitet.
Da fahre ich durch die halbe Toskana und durchstöbere hi und da ein kleiner Trockenstandort und finde (fast) nichts und hier um die Ecke gibt's diesen botanischen Reichtum.
Übrigens, ich war pünktlich beim Abendessen. Es hat wunderbar geschmeckt, danke dem Küchenteam fürs Zubereiten.
Es kommt wie es kommen muss, heute Sonntag ist der Tag der Abreise. Wir sind uns einig, dass wir einen Stopp in Pisa einlegen. Eigentlich nur um den schiefen Turm zu sehen; aber auch, damit noch ein bisschen Ferien ist. Auf der Autobahn realisiere ich in letzter Sekunde, dass wir an den Marmorsteinbrüchen von Carrara vorbeifahren und drücke geistesgegenwärtig auf den Auslöser meiner Kamera. Schnappschuss nun leider mit dicker Baustange mitten im Bild.